Lautsprecher-Odyssee und Duetta Selbstbau
Posted on 2007-04-18 19:00 by Timo Bingmann at Permlink with 23 Comments. Tags: #hifi selbstbau
Zusammenfassung
In diesem Blog-Eintrag beschreibe ich meine drei-monatige, intensive Suche nach neuen Lautsprechern. Der Eintrag enthält viele persönliche Meinungen und soll insbesondere zu der Zeit angestellte Überlegungen und Vermutungen erfassen. Dieser Bericht soll sein, was ich in damals vergeblich im Internet gesucht habe: eine detaillierte Entwicklung von völlig unerfahrenen Musikhörer zum Boxen-Selbstbauer. Der ganze Bericht ist natürlich subjektiv, manch Suchender wird völlig anderer Meinung sein.
Die Suche startet im letzten Dezember bei den einschlägigen Elektronikmärkten. Mit den bekannten Test-Magazinen bewaffnet, hätte ich dort um Haaresbreite ein Paar Lautsprecher gekauft. Durch Zufall kamen wir dann zu Orbid-Sound und durften dort begeistert alles probe hören und sogar zwei Paar Lautsprecher ausleihen. Am Ende landete ich jedoch beim HiFi-Selbstbau. Nach langem Vergleich der verschiedenen im Internet verfügbaren Bausätze entschied ich mich zu Udo Wohlgemuth nach Bochum zu fahren und dort zwei Duetta-Bausätze zu kaufen.
Die zehntägige Bastelarbeit an dem Paar Duettas hat mir sehr viel Spaß gemacht. Hier werden die einzelnen Schritte nur kurz beschrieben aber durch viele Photos illustriert. Besonderes Augenmerk legte ich auf die Schwierigkeiten, welche ich damals als totaler Selbstbau-Neuling überwinden musste. Der Blog-Eintrag endet mit einer differenzierten Beschreibung des Klangs meiner Duettas.
Lautsprecher-Suche - Media-Markt Phase
Der ganze Geschichte begann Anfang November 2006, "kurz" vor Weihnachten. Während einem Besuch bei meinen Eltern in Stuttgart meint mein Vater: "So, wir gehen jetzt Boxen für Dich zu Weihnachten aussuchen." Er hatte mich vorgewarnt und daheim in Karlsruhe hatte ich eine Lautsprecher-TestCD mit einer breiten Auswahl an Lieblingsmusik zusammengestellt. Diese CD hat sich als äußerst wichtig herausgestellt. Die Auswahl enthielt neben meinen Metal-Lieblingsstücken (Therion, Dimmu Borgir und Battlelore) auch Rock (Red Hot Chili Peppers), Pop (Shakira) und Elektro-Trance (Trance Atlantic Air Waves). Als Vorbereitung zur Boxen-Auswahl las ich mich durch die Ergebnisse von Google-Suchen wie "Lautsprecher Kauf". Besonders viel handfeste Information und keine Marketing-Floskel waren auf der HiFi/Elektronikseite von Christoph Caspari zu finden.
Ohne weiteres Vorwissen kam es dann zum ersten Kontakt mit der HiFi-Welt. Im ersten Anlauf fuhren mein Vater, Bruder und ich zum Media-Markt nach Esslingen, weil dieser der größte und nächste in unserer Region ist und mein Bruder dort schon vor Jahren Boxen von MB-Quart gekauft hatte. Dort trafen wir auf einen sehr geschäftstüchtigen Verkäufer, welcher ein breites Spektrum an Boxen in dem bekannten HiFi-Vorführraum anbieten konnte. Als Referenz war eine Paar "Canton Vento Reference 5 Piano" für 2500 Euro/Stück ausgestellt. Daneben waren "Elac FS 207.2", "Heco Celan 700" und "Celan 800" und viele andere in einer Preisspanne von 200 - 700 Euro aufgestellt. Schnell stellten wir mit meiner TestCD fest, dass ich wegen der bass-lastigen Metalmusik nicht um große Standboxen herum kommen würde. Kleine Regallautsprecher sind dafür wenig geeignet. Nach zwei-stündigem Durchhören war die Auswahl auf die drei oben genannten Lautsprecher eingeschränkt. Mein Vater und der Verkäufer fingen schon an zu handeln und er wollte uns die Elac FS 207.2 mit dem (tollen) Jet-Hochtöner für 620 Euro statt 699 Euro verkaufen. Mein Bruder und Vater waren recht angetan von dieser Box und hätten bald zugeschlagen. Doch dann verglich ich diese mit der Canton R5 mittels Red Hot Chili Pepper's Californication. Es war ein trauriges Ergebnis: unklar in den Mitten und wenig Raumwirkung. Wir wurden dann vom 20 Uhr Gongschlag gerettet. Auf der Rückfahrt hörten wir meine Test-CD auf dem Bose-Autosystem meines Vaters, welches viel besser klang als alle während des Hörtests, vielleicht mit Ausnahme der Canton R5. Daheim angekommen war klar, dass die Elac 207.2 nicht das Richtige war. Andererseits hatten wir so herausgefunden, dass man von (Marken-)Lautsprecher für 500 - 700 Euro/Stück nicht so viel erwarten kann, wie ich mir vorstellte.
In den darauf folgenden Wochen kaufte ich mir die aktuellen Hefte der renommierten HiFi-Testzeitschriften Audio und Stereoplay. In den darin enthaltenen Rankings fand ich in etwa dieselbe Einstufung der Lautsprechermodelle wieder, wie sie sich beim Hören im Media-Markt herauskristallisierte. Außergewöhnlich gut war jedoch die "Heco Celan 700". Daheim in Karlsruhe ging ich dann zum großen Saturn und neuen Media-Markt. Im Hörraum des Saturns fand ich eine Celan 700 in dunklen "Rosewood". Diese gefiel mir optisch ganz gut und klanglich im Vergleich zu den anderen dort angeboten Lautsprecher mit den nun zurückgesteckten Maßstäben akzeptabel. Der neue Media-Markt im ECE-Center hatte keine Box, welche in dem Klangbereich mithalten konnte. Auf Rat meiner Freunde ging ich noch unangemeldet zu einem "richtigen" HiFi-Laden. Dort fand ich jedoch nur für mich unbezahlbare Surround-Heimkino-Systeme und mir wurde (freundlich) geraten meinen Besuch anzumelden.
Die Entscheidung war also auf Grund des guten Test-Rankings und gutem Aussehen auf die Heco Celan 700 gefallen. Am nächsten Wochenende in Stuttgart suchte ich dann telefonisch ein Paar in "Rosewood". Der Media-Markt im Breuninger-Land Sindelfingen hatte ein Paar in Silber und in Pforzheim war ein Paar in Rosewood auf Lager. Am Samstag fuhren mein Vater und ich dann zu dem an dem Tag sehr gut besuchten Breuninger-Land. Der dortige Media-Markt war größer als in Esslingen, der HiFi-Raum jedoch kleiner. Dort gab es ein Sonderangebot: Heco Celan 800 in Silber für 555 Euro. Wir hatten den Bestellvertrag für diese größere Box in Rosewood fast schon unterschrieben als ein freundlicher Herr uns ansprach: "Wollen Sie Lautsprecher kaufen?" Wir bejahten und der Herr, selbst Besucher im Media-Markt, riet uns zu Orbid-Sound nach Leonberg zu fahren. Sofort folgten wir dem Rat.
Lautsprecher-Suche - Zu Gast bei Orbid-Sound
Bei Orbid-Sound angekommen wurden wir von einem völlig anderen Klangerlebnis als bei Media-Markt empfangen. Ein sehr freundlich und leidenschaftlich kompetenter Herr führte uns mit viel Geduld alle seine Modelle vor. Klanglich waren alle viel klarer, detailreicher und beeindruckend als die im Preis entsprechenden Modelle von Heco, Elac und Canton. Optisch gaben diese jedoch weit weniger her: die Gehäuse reichten von unbearbeiteten MDF zu offensichtlich furnierter, farbig lackierter Buche. Weiter sind die Chassis nirgends versenkt, sondern einfach auf das Gehäuse aussen geschraubt. Ganz im Gegensatz zum Media-Markt wurde nicht im Geringsten zum Kauf eines bestimmten Lautsprechers gedrängt, stattdessen durfte man ausgiebig die Lautsprechereindrücke genießen. Während unsere Ohren sich an den neue Detailreichtum gewöhnte, kamen und gingen zwei weitere Besucher bei denen man sich ganz ungeniert nach Orbid erkunden konnte. Beide kannten Orbid schon 15 und 20 Jahre lang und würden um nichts in der Welt ihre Orbid-Lautsprecher weggeben. Wenn sogar Kunden die Produkte weiter empfehlen, kann die Qualität schon nicht schlecht sein.
In Frage von Orbid kamen am Ende nur zwei Modelle: Jupiter (775 Euro) und Uranus II (555 Euro). Beide Modelle sind im Vergleich zu Heco und Co. etwa gleich teuer bei weit besserem Klang. Bei Orbid kann man auch statt des fertigen Lautsprechers einen Bausatz mit Gehäuse kaufen und sich einen unterhaltsames Wochenende damit beschäftigen diesen selbst zusammen zu schrauben und löten. Die Bausätze waren etwas günstiger: Jupiter 695 Euro und Uranus II 505 Euro. Als wir uns losgerissen hatten, fuhren wir noch weiter nach Pforzheim, um meinem Vater die Heco Celan in Rosewood zu zeigen. Doch die Enttäuschung über den Klang nach langen Einhören bei Orbid war groß. Optisch war dieser Lautsprecher jedoch ansprechend gestaltet und wir befassten uns damit wie diese Optik bei Orbid Lautsprechern zu erreichen sei.
Am nächsten Donnerstag war ich schon früh wieder bei Orbid zu Gast mit meinem Bruder. Nach weiterem ausgiebigem Probehören und wieder zwei neue sehr zufriedenen Kunden im Vorführraum war die Entscheidung nahe gerückt. Der freundliche Herr bot uns an die Jupiter und Uranus II über die darauf folgende Woche auszuleihen und daheim im eigenen Wohnzimmer ausprobieren zu können. Wie ausgemacht haben wir am darauf folgenden Samstagabend die beiden in Frage kommenden Modelle von Orbid abgeholt und in Stuttgart neben den bestehenden Lautsprechern meines Bruders aufgestellt. Am Sonntag fuhr ich mit allen Lautsprechern dann zu mir nach Karlsruhe und schleppte die beiden 35 kg schweren Jupiter vier Stockwerke nach oben. Bis Donnerstag konnte ich in meinem bescheidenen Räumchen dann die eindrucksvollen Jupiter von Orbid mit meinem Verstärker und PC-Musikquelle probe hören. Das Ergebnis fiel äusserst gut aus. Die Jupiter verlangte deutlich nach einem besseren, rausch-ärmeren Verstärker als ich bieten konnte. Die Bassmächtigkeit der Jupiter übertrifft weit die der Uranus II. In den Höhendetails unterscheiden sich beide deutlich: für klassische Musik ist der Druckkammer-Hochtöner der Uranus besser und für mainstream Popmusik der Schlitzstrahler der Jupiter eindrucksvoller. Die einzigen beiden Mankos der Jupiter waren ihre beachtliche Größe und ein etwas unangenehmer Hochtöner, welcher besonders bei Becken sehr vordergründig, verzerrt und damit schnell nervig spielt.
(Mehr Bilder) |
Die Entscheidung fiel eindeutig auf die Jupiter. Am Donnerstag um zehn Uhr musste ich sie jedoch schweren Herzen zurück bringen. Ich wollte die Jupiter kaufen, jedoch in ein ansprechenderes Gehäuse einbauen. Dazu befragte ich dann ausführlich einem Schreiner und erfuhr von Orbid, dass der Bausatz ohne Gehäuse nur 550 Euro kostet. Also standen die Differenz von circa 140 Euro für das Gehäuse zur Verfügung. Schnell stellte sich heraus, dass dieses vom Schreiner gefertigt wesentlich mehr kosten würde. Diese zusätzlichen Kosten kann man jedoch für ein schönes Gehäuse akzeptieren.
Während der genaueren Planung kam der Gedanke auf, statt dem nervigen Hochtöner ein anderes Chassis hinein zubauen (später stellte sich heraus, dass dies niemals funktioniert hätte). Die charakteristische Form des Hochtöners machte es leicht diesen per Internet als Beyma CP21F zu identifizieren. Und damit war die Tür aufgestoßen und ganz wilde Ideen kamen: statt den relativ preisgünstigen Chassis der Jupiter könnte man doch viel bessere Chassis-Modelle auswählen und so nochmals eine Qualitätssteigerung erreichen.
Lautsprecher-Suche - Entdeckung des HiFi-Selbstbaus
Auf der Suche nach guten Chassis fand ich schnells mittels Google Strassackers Lautsprechershop.de und war überrascht, dass diese nur 5-6 km von mir in Karlsruhe entfernt waren. Leider stellte sich nach einem kurzen Telefongespräch heraus, dass dort keine der vielen auf der Homepage ausführlich vorgestellten Boxen fertig zum Anhören stehen. Dies stellte sich als das Hauptproblem beim Selbstbau heraus: nur selten kann man eine Referenzbox probe hören bevor man die Teile kauft.
Mehrere Wochen beschäftigte ich mich dann intensiv mit Büchern über Lautsprecherbau (aus der Universitäts Bibliothek) und den hilfreichen aber auch sehr zahlreichen Beiträgen im HiFi-Forum. Dabei wurde klar, dass ein Zwei- oder Drei-Wege-Lautsprecher aus einem speziell kombinierten Satz an Chassis besteht und dass man nicht einfach den Hochtöner austauschen kann ohne die Frequenzweiche neu zu kalibrieren.
So fing die Suche nach dem richtigen Lautsprecher erneut an. Der HiFi-Selbstbau leidet meines Erachtens etwas von dem Eindruck, dass man mit den eigenen einfachen Mitteln und Können nie die Qualität von professionellen Fertiglautsprechern erreichen kann. Dies wird unterstüzt vom lustigen Hobby technik-begeisterter Jugendlicher: man kauft sich für höchstens 100 Euro möglichst große Bass-Chassis aus dem Conrad-Katalog und baut diese in ein beliebige Holzkiste hinein. Ich kann mich gut erinnern, dies mal geplant zu haben. Hohe Klangqualität ist so sicher nicht erreichbar.
Diese Vorurteile gegenüber dem Selbstbau vermischen sich mit der Unsicherheit, wie denn der Lautsprecher am Ende klingt. Wie oben angedeutet, ist es schwer ein Modell vorher zu hören zu bekommen. Und selbst wenn diese Referenz gut klingt, kann man beim Bau selbst genügend Fehler machen, so dass am Ende das Ergebnis weit bescheidener ausfallen kann. So zumindest meine vorsichtigen Überlegungen zu der Zeit. Beim Suchen nach genaueren Beschreibungen, wie, woraus und womit man das Lautsprechergehäuse baut fand ich dann Udo's Magazin mit beruhigend genauen Bauanleitungen. Insbesondere wurde dort ausführlich beschrieben wie die Chassis mittels Oberfräse versenkt werden; dies war das größte optische Manko der Jupiter Box von Orbid.
Mit diesen Anleitungen gewappnet ging ich daran das richtige Modell auszuwählen. Angesetzt wurde der gleich Preis wie wir um Haaresbreite bei Media-Markt ausgegeben hätten: 500 - 700 Euro/Stück. Aus den hunderten Bausätzen von Strassacker und anderen Bausatz-Vorschlägen im Internet kamen überraschenderweise nur eine kleine Auswahl in diese Preisklasse. In die engere Auswahl kamen damals die folgenden Bausätze:
- ADM Stra To für 410 Euro/Stück mit Alcone Chassis.
- Verbacube aus der damals aktuellen Klang+Ton mit Peerless Chassis ist modular und erlaubt so Experimente.
- Triola für 580 Euro/Stück mit Eton Chassis ist ebenso modular und etwas hochwertiger.
- Visatons Atlantis für ebenfalls circa 580 Euro/Stück als Einstiegs-Dreiwege-Box von Visaton.
- Visatons Concorde für 770 Euro/Stück enthält fünf Chassis und ist eine der größten Visaton Bausätze.
- ADM Eton 2 U XXL für 650 Euro/Stück eine einteilige Box mit Eton Chassis.
- Thor ist eine hochwertige Zweiwege-Box mit Seas Excel Chassis für circa 800 Euro/Stück.
- ADM Duetta für 850 Euro/Stück als zu der Zeit beste Lautsprecher von Udo.
- Minuetta für 670 Euro/Stück aus Klang+Ton als schlankere Variation der Duetta.
Bei so viel Auswahl fällt die Entscheidung sowieso schwer. Nahezu unmöglich war sie, weil außer immer positiv beeindruckenden Klangbeschreibungen und Werbetexten keine weitere Information zu den Bausätzen vorhanden war. Nach vielen Stunden lesen in der Selbstbau-Ecke des HiFi-Forum, zielte ich langsam auf die ADM Duetta. Im Forum war rundum nur Positives zu lesen, das ist aber bei fast jedem Lautsprecher der Fall, sogar über die Fertiglautsprecher von Heco und Co. Am Ende entschied die Devise "Wenn schon, dann richtig."
Nachdem die Entscheidung gefallen war, ging das Projekt Duetta mit Elan in die Planungsphase. In den Baumärkten in Karlsruhe suchte ich nach dem richtigen Werkzeug und Holz: MDF oder Multiplex. Im Hornbach war Birken Multiplex mit 21 mm Stärke für circa 30 Euro/m² beim Holz-Zuschnitt erhältlich. Bei dem Furnierhersteller Schorn & Groh gab es eine riesige Auswahl an schönen Hölzern, jedoch war eine Mindestabnahmemenge von 12 m² vorausgesetzt.
Doch dann erfuhr ich von Strassacker, dass man die Lieferzeit der Duetta-Teile auf 8 - 10 Wochen schätzte. Das war mir eindeutig zu lang. Durch eine E-Mail an Udo erfuhr ich begeistert, dass er alles da hat. Im Forum hatte ich oft gelesen, dass ein Besuch bei Udo in Bochum sich wirklich lohnt und er selber riet mir dies ebenfalls. Leider ist Karlsruhe von Bochum circa 370 km entfernt und eine Fahrt dauert laut Routenplaner circa 3,5 Stunden. Dennoch entschied ich mich die Reise auf mich zu nehmen, denn in Bochum würde ich dann die Duetta hören können und falls diese meine Erwartungen erfüllt, gleich die Teile mitnehmen.
Lautsprecher-Suche - Besuch bei Udo in Bochum
An einem verschneiten Mittwoch im Januar fuhr ich also nach Bochum. Der Besuch verdient eigentlich einen eigenen Blog-Eintrag. Dort circa um 15 Uhr angekommen gingen Udo und ich erstmal zu seinem Stamm-Italiener Pizza essen. Dabei unterhielten wir uns mehr über Gott und die Welt als über Lautsprecher. Gesättigt betraten wir dann Udo's berühmten Laden ... eigentlich Werkstatt. Unordnung ist oft Zeichen von geschäftigem Werken. So auch in Udo's Laden: aufgetürmte "alte" Lautsprechermodelle füllten die großen Fensterscheiben und Wände. Sie ließen nur wenig Platz für ein Regal mit durcheinander liegenden, ausprobierten Lautsprecherchassis verschiedenster Hersteller. Hier wurde tatkräftig gearbeitet und nicht Fertigprodukte aus China mit vielen Worten gelobt und aufgedrängt. In Mitten des mit Lautsprechertechnik angefüllten Raums versteckte sich das Ziel meiner Reise: Udo's Duetta-Paar.
Dann durfte ich meine Test-CD den Rest des Tags rauf und runter hören. Geduldig und leicht über meine Musik schmunzelnd hörte Udo zu. Doch wir waren nicht alleine: schnell füllte sich der Laden. Die neueste Spezialität von Udo schienen modifizierte Röhren-Verstärker zu sein, welche ein Bekannter aufrüstet. Im Laufe des Tages kamen zwei Herrn vorbei, um einen dieser ab zu holen. Einer war bereits fertig, der zweite jedoch nicht. Das hielt diesen Besucher jedoch nicht davon ab einige Stunden im Laden bei uns zu bleiben und mit Udo zu fachsimpeln. Gegen Abend kam dann ein anderer junger Mann vorbei, um seine Transmissionline mitzunehmen. Udo hatte diese nochmals durch gemessen und eine kleinen korrigierenden Saug- oder Sperrkreis eingebaut.
Spätestens am Abend war meine Entscheidung gefallen die Duetta zu bauen. Udo's Laden ist alles andere als ein optimal eingerichteter Hörraum. Und dennoch brillierte diese durch klaren und unverzerrten Klang, wie ich ihn nirgends vorher gehört habe. Ohne direkte Vergleichslautsprecher ist es zwar sehr schwer die Qualität neutral zu beurteilen, aber bei der Duetta waren Feinheiten und Details meiner hundertfach gehörten Testlieder zu erkennen, welche andere Lautsprecher (vielleicht mit Ausnahme von Orbid's Jupiter) einfach nicht dargestellt haben.
Auf der Heimfahrt war das Auto mit einem kompletten Duetta Bausatz im Wert von 1700 Euro beladen. Mit Eifer ging es daheim dann an die Schreinerarbeit.
Lautsprecher-Bau - Schreinerarbeit
Die folgenden Abschnitte werden deutlich dem Vorurteil widersprechen, dass ein Informatiker nur mit der Tastatur umgehen kann. Falls er zu anderen Werkzeugen greift, so besteht angeblich in seiner Umgebung Lebensgefahr. Da Udo's Duetta Bauanleitung bereits ausführlich ist, gebe ich hier nur eine kurz kommentierte Photofolge.
Wie oben erwähnt gibt es hier beim Hornbach 21mm starkes Birken-Multiplex für circa 30 Euro/m². Leider war kein 22mm bzw. 19mm starkes zu finden, also habe ich die Abmessungen der Duetta umgerechnet und alles aus dem 21mm starken gebaut. Der Zuschnitt war innerhalb eines Nachmittags fertig und mit Toleranzen von ± 1mm auch sehr ordentlich für einen Baumarkt; einige Bretter waren jedoch circa 2 mm zu groß. Sogar bei der Oberfläche und Struktur hatte ich Glück. Falls ich mit irgendwas nicht zufrieden gewesen wäre oder bei der Konstruktion ein Fehler passiert, so hätte ich einfach neues Holz besorgen können. Wichtig war viel Probebretter aus den Zuschnittsresten mitzunehmen.
Durch loses Zusammenstellen der Holzteile vergewissert ich mich, dass diese am Ende zusammenpassen und keines fehlte. Nun ging es daran Löcher für die Chassis und die Anschlussterminals in das Holz zu arbeiten. Als ersten schnellen Versuch machte ich ein (annähernd kreisförmiges) Loch mit der Stichsäge und setzte das Chassis ein. So war das Chassis nicht versenkt und sah ähnlich aus eine Orbid-Box. Damit unzufrieden ging ich auf die Suche nach einer Oberfräse.
Zuvor fragte ich den Schreiner ob und wie viel es kosten solle die Löcher zu fräsen, denn eine Oberfräse hatte ich noch nicht zur Verfügung. Nachdem der Schreiner mich leicht überrascht anschaute und erklärte wie schwierig und teuer dies zu fräsen sei, fuhr ich schnell wieder zum Hornbach und kaufte dort für 100 Euro eine Oberfräse von Bosch. Es dauerte ein Tag herum probieren und an Probelöchern üben bis ich das Gerät mit den ganzen Teilen einigermaßen beherrschte.
Die größte Schwierigkeit würde die rechteckige Form des ER4 machen. Nach einigen Versuchen mit Kopierhülse und Schablone stellte ich fest, dass diese nicht zentrisch war und immer verzerrte Abbildungen lieferte. Am Ende fräste ich die rechteckigen Formen der Anschlussterminals und der ER4s statt mit Kopierhülse mittels vier geraden Führungen. Die Rundungen ergaben sich einfach durch den passende Durchmesser des Fräsers. Als einziges Problem stellte sich das genaue stoppen an den Rändern heraus, und ich fräste einige Eselsohren an den Anschlussterminals hinein. Nunja, Übung (und Geduld) macht den Meister.
Mit dem beim Fräser mitgelieferten Zirkel waren die Löcher für die Bass-Chassis leicht präzise zu fräsen (natürlich erst nach mehr als zwei Probefräsungen auf Testbrettern). Für die kleineren Mitteltöner war der Zirkel nicht zu gebrauchen, da dieser nur Kreise mit mindestens 10cm Radius schneiden konnte. Schnell war eine Spezialkonstruktion aus Testbrettern fertig mit denen beliebig kleine Radien mittels Zentriernagel gefräst werden konnten. Am Ende waren alle Chassis mit höchstens 0,5 mm Toleranz plan versenkt.
Dann nach vier Tage intensiver Fräsarbeiten war es soweit: die Kisten wurden bis auf die Seitenwände zusammen geleimt. Alles passte genau zusammen bis auf das Stabilisationskreuz in der Bassbox, dort waren die Baumarkttoleranzen nicht genau genug. Nachdem ich die Chassis eingepasst und festgeschraubt hatte, war leider noch nichts zu hören: die Frequenzweiche fehlte.
Am Besten erschien es mir die Frequenzweichenbauteile entweder mit Heißkleber oder mit Kabelbinder auf einem Holzbrettchen zu befestigen und "in der Luft" zusammen zu löten. Ich entschied mich für die Kabelbinder-Variante, da bei dieser leichter nachträglich Komponenten ausgewechselt werden können. Da ich mit Löten viel Erfahrung habe, war dies handwerklich kein Problem. Die größte Herausforderung war es eine möglichst geschickte Anordnung der Komponenten auf dem Holzbrett zu finden. Die Anordnung musste dem Schaltplan entsprechen, die Spulen auf Grund ihrer elektromagnetischen Felder möglich weit auseinander und die zu lötenden Verbindungen der Bauteile wenig aufwendig sein.
Nach circa drei Stunden waren alle vier Holzbrettchen fertig bestückt und ich schloss diese mit Lüsterklemmen an die eingebauten Chassis an: sie funktionierten! Das war eine große Erleichterung. Bei genauem Hinhören stellte ich fest, dass die Bass-Chassis nahezu keine Töne erzeugten; das war aber nicht anders zu erwarten da die Seitenwand fehlte und so das Gehäuse noch offen war. Einmal hatte ich einen Hochtöner bei Verschrauben der Lüsterklemmen verpolt, was zu hörbaren Auslöschungen im Trennbereich führte. Die Farbmarkierung der Kabel des ER4 sind sehr merkwürdig.
Dann habe ich alles zusammen gepackt und bin mit fast fertigen Gehäuse zu meinen Eltern nach Stuttgart gefahren. Dort wurde dann prompt weiter gebastelt: zu erst mussten die Chassis und Frequenzweichen wieder raus. Dann habe ich das Dämmmatrial verteilt und mit Heißkleber an einigen Punkten befestigt. Nachdem ich mit der Oberfräse noch einige überstehende Millimeter der Verstrebungsbretter an den Bassboxen plan abgetragen habe, kam der große Moment an dem Bassboxen komplett verleimt wurden. Danach würden ihre Innenräuem nur noch durch die Chassisöffnungen zugänglich sein. Bei den Top-Boxen habe ich die Böden nicht angeleimt, sondern verschraubt so, dass diese nachträglich geöffnet werden können. Mit eingebauten Frequenzweichen verleimte ich dann die fehlenden Seitenwände der vier Kisten.
Als alles verleimt war, ging es ans Abschleifen. Das erledigte ich auf dem Balkon und machte dennoch eine riesige Sauerei. Die Quaderform der Kisten waren angenehm einfach abzuschleifen. Im Vorfeld hatte ich viele Versuche mit Holz-Ölen, Holz-Wachölen, Holz-Beizen, Furnieren und Lacken gemacht. Während ich die Kisten abgeschliffen habe, entschied ich mich sie möglichst hell aber naturgetreu zu lackieren. Ich entschied mich für den Lack, welcher die Holzfarbe des Birkenmultiplex am wenigsten veränderte. Dies war nicht der Acryl-Klarlack auf dem Baumarkt, sondern ein günstiger Nitro-Spritzlack vom Schreiner. In dessen Spritzkammer ließ ich die vier Boxen dann zweimal lackieren.
Am nächsten Tag blieben die letzten Handgriffe übrig: die Chassis mit den Frequenzweichen verbinden und einsetzen. Ich entschied mich die Verbindungen nicht mit Lüsterklemmen zu machen, sondern richtig zu verlöten. Dann begann der Testlauf!
In den nächsten Tagen verglich ich die neuen Duetta mit den Boxen meines Bruders und anderen weniger hochwertigen Lautsprechern. Weiter verglichen wir dann drei (Transistor-)Verstärker mit verschiedenen Quellen. Ich war überaus zufrieden! Nach einigen Stunden Einspielzeit brillierte die Duetta und legte detailliert die Unterschiede der Verstärker offen. Die Boxen meines Bruder waren ebenfalls sehr gut, erreichten aber nicht den klaren Detailreichtum des ER4 und die präzisen Bässen.
Fast hatte ich das Paar Lautsprecher nicht mehr mitnehmen dürfen: meine Eltern wollten sie behalten; ich solle noch welche bauen. Nur mit dem Versprechen ihnen bald ein Paar zu bauen durfte ich sie wieder nach Karlsruhe nehmen. Vor dem Transport habe ich die fertigen Lautsprecher gewogen: das Oberteil wiegt 12 kg und die Bassbox 28 kg. Insgesamt das Paar also circa 80 kg! In meinem kleineren Raum hören sie sich wieder ganz anders an: viel mehr Bass. In dem größeren Zimmer meiner Eltern ging dieser unter.
Nachdem ich die Duetta jetzt zwei Monate höre finde ich sie immer noch sehr gut. Sie spielen äußerst detailreich: Bässe sind scharf, differenziert und nicht verschwommen, wobei mein Zimmer dort leider etwas entgegen wirkt. Die oft übersehenen Mitteltöner machen eine Bühne auf, die ich bisher nur bei der Canton R5 und besseren Lautsprecher gehört habe. Und unvergleichlich präzise und doch lässig gibt der ER4 Höhen wieder. Die Duetta ist keine Effektbox: als ich sie meinen Freunden vorführte war selten ein "Wow" zu hören. Die Duetta macht keinen großen Eindruck, ihre Stärken liegen in den Details: sie übertreibt nicht und nervt so auf lange Zeit nicht. Wer Eindruck schinden will, muss etwas anderes bauen.
Hallo, schon unverschämt von Dir wie Du Orbid-Sound ausgenutzt hast und nicht mal was gekauft hast.